Die Jungfernfahrt mit meinem Dacia Dokker fand in Richtung Oderbruch statt. Nach knapp zwei Stunden erreichte ich meinen Zielpunkt Groß Neuendorf und seine Hafenanlage direkt an der Oder, was nicht an dem Verkehr lag, der an diesem Sonntag doch recht gering war, sondern an den zahlreichen Umleitungen auf der Strecke, die eine entsprechende Zeit auffraßen. Den avisierten Campingplatz fand ich zunächst nicht bzw erschien mir ein möglicherweise in Frage kommendes Gelände nicht angemessen, sodass ich zur Hafenanlage fuhr und dort glücklicherweise einen sehr schönen Platz fand. Eigentlich war das Campen dort nicht gestattet, aber wo kein Richter ist, ist auch kein Henker.
Die ehemalige Hafenanlage wurde 2005 zu dem Denkmalensemble “Kulturhafen Groß Neuendorf” saniert und umgewandelt. Dabei wurde der historische Verladeturm zu einer Ferienwohnung in den oberen vier Etagen und dem Turmcafé mit einer Ausstellung in den unteren drei Etagen umgebaut. Die frühere Förderbrücke wurde zu einer öffentlichen Aussichtsplattform und das ehemalige Maschinenhaus beherbergt heute ein Hotel und Restaurant. Die historischen Bahnwaggons vervollständigen das Ensemble mit weiteren Übernachtungsmöglichkeiten und Deutschlands östlichstem Theater.
Sofort machte ich mich natürlich auf den Weg, den Oderradweg zu erkunden. Ich fuhr flussabwärts in Richtung Stettin und erreichte nach ca. 7 km bei der Ansiedlung Zelliner Loose eine Gaststätte , eine der zahlreichen Radler’s Höfe, die speziell für Radfahrer eingerichtet worden sind. Ich bestellte ein Sandwich, was aber gigantische Ausmaße hatte, ganz im Unterschied zu der Ankündigung in der Speisekarte, wo auf den kleinen Hunger hingewiesen wurde. Nachdem ich mich gestärkt und mit einem alkoholfreien Weizen meinen Durst gestillt hatte, radelte ich weiter.
Mein Ziel war die einzige Fähre, die Deutschland und Polen miteinander verbindet. Ihr Name ist das Motto: “Bez Granic”, das “Ohne Grenzen” bedeutet. Beim kleinen Anleger am Flecken Güstebieser Loose tuckerte die Schaufelradfähre, ein wahres Museumsstück, los und erreichte in wenigen Minuten den Ort Gozdowice (Güstebiese) auf polnischer Seite. Die Fähre ist ein Symbol: 1944/45 fuhr ihre Vorgängerin das letzte Mal auf diesem Teil der Oder. Bis dahin gehörten die beiden Orte dies- und jenseits des Flusses zusammen. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Kommune durch die Grenze geteilt, die Fähre eingestellt. Erst 2007 hat sie ihren Betrieb nach mehr als 60 Jahren Stillstand wieder aufgenommen.
Während meines einstündigen Aufenthaltes auf polnischer Seite besuchte ich die Gedenkstätte für den Oderübergang der 1. Polnischen Armee im Jahr 1945 sowie dessen pompöses, fast kitschiges Monument. Anschließend machte ich mich auf den Rückweg entlang des asphaltierten, phantastisch ausgeschilderten Radwegs, der teilweise jenseits des Deiches verläuft. Die Gegend hier hat mich doch sehr stark an die Nordseeküste erinnert, nicht nur wegen der steifen Brise, sondern auch aufgrund der Schafherden, die auf den Wiesen grasten und der endlose Weite. Schön war zu sehen, dass sich in den Tümpeln entlang der Oder zahlreiche Vögel tummelten, darunter etliche Störche, die nach Nahrung suchten.
Diese kleine Exkursion hat mich(nochmals) motiviert, weitere Teile dieses Radwegs zu erkunden, unter Umständen mal die ganze Strecke zu bewältigen!
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