Radtouren

Radtour – Havelländisches Luch

Ein warmer Sommertag, zwar ein wenig heiß zum Radfahren, aber nicht zu heiß!

Wir haben uns weitgehend den Radweg im Havelländischen Luch ausgesucht.  Der Begriff Luch bezeichnet ursprünglich ausgedehnte, vermoorte Niederungen in Nordostdeutschland, speziell in Brandenburg, die aber mittlerweile durch den Menschen umgewandelt und in Kultur genommen worden sind und  jetzt für gewöhnlich als Grünland genutzt werden.

Anfangs- und Endpunkt unserer 48 Kilometer langen Tour war der Ort Nauen, der eine günstige und häufige Verkehrsanbindung Richtung Berlin anbietet. Aufgrund einer guten Ausschilderung fanden wir sofort den Havelland-Radweg. Dieser 115 Kilometer lange Radweg verläuft von der Berlin quer durch den Regionalpark Krämer Forst bis in den Naturpark Westhavelland. Es war ein Genuss dort zu radeln, da der größte Teil unserer Strecke als Fahrradstraße deklariert ist, was bedeutet, dass ein Fahrverbot für Autos – Ausnahme Anlieger – besteht. Hinzu kam, dass um uns herum nur Landschaft anzutreffen war, wenn man die Armada der Windkrafträder in weiter Ferne außer acht lässt. Faszinierend waren für uns der in voller Blüte stehende Klatschmohn auf zahlreichen Getreidefeldern, der vielerorts rote Teppiche bildete. Ich vermute, dass dies ein Indiz für den Nichteinsatz von Unkrautvertilgungsmitteln ist.

Den ersten Stopp legten wir dann in Ribbeck ein. Der Ort entstand gemeinsam mit dem gleichnamigen Rittergut. Es wir vermutet, dass die Familie vom Westen des deutschen Reiches im Rahmen der deutschen Einwanderung in das von Slawen besiedelte Gebiet zwischen der mittleren Elbe und der Oder kam und 1237 dieses Gebiet als Lehen erhielt. 1889 machte der Dichter Theodor Fontane den Ort und seinen Patron weit bekannt. Er formte aus einer alten Sage, die man sich in Ribbeck seit alters her erzählte, sein bekanntes Gedicht: „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“. Um Touristen in den Ort zu locken, begegnet man dem  im Gedicht erwähnten Birnbaum und seinen Früchten überall. So hat sich im alten Waschhaus eine kleine Gaststätte mit Souvenierlädchen angesiedelt, und getreu der Ribbeckschen Frucht werden dort nur Birnenprodukte zum Verzehr angeboten, von der Birnensuppe bis zur Birnenlimonade. Dass dann das ganz Ambiente einschließlich der Bedienung noch als Waschhaus bzw. Wäscherin dekoriert waren, wirkte bei allem ehrlichen Bemühen doch recht kitschig. Getoppt wird dieser Birnenkult noch von einem Rest des angeblich originalen  Birnbaums, der wie eine Relique in der Dorfkirche ausgestellt ist.

Weiter ging es  – zum Teil auf einer Fahrradstraße, zum Teil auf einer verschlafenen Landstraße – Richtung Paulinenaue, einem kleinen Ort mit einem verwahrlosten Bahnhof. An diesem Ort beginnt eine bemerkenswerte Fahrradroute, die ich schon im letzten Herbst erkundete, die Stille Pauline. Wo bis in die Mitte der 90er Jahre noch Güterzüge bis Fehrbellin im Havelland ratterten, kann man jetzt durch das Havelländische Luch und das Rhinluch bis nach Neuruppin radeln. Hier fühlt man sich eins mit der Natur, lediglich ein Mähdrescher, dem zwei Störche – hoffend auf aufgestreckte Kleintiere – gierig folgten, störte die Idylle ein wenig.

In Lobeofsund, am stillgelegten Bahnhof, verließen wir die Route und folgten einer kaum befahrenen Landstraße Richtung Nauen. Unterwegs passierten wir viele “Horst”, und in einem der Orte, Königshorst, legten wir eine ausgiebige Rast ein. Die Dorfkneipe war leider – dauerhaft? – geschlossen, aber in einer Nebenstraße bot sich der Holzwurm, eine Mischung aus Biergarten und Imbiss, als Alternative an. Die Speisekarte war nicht à la Bocuse, dafür aber mit Vorkriegspreisen ausgestattet: Ein Schnitzel mit Pommes Frites für 4,50€ und einen (Doppel)Hawaii Toast für 3,-€, da kann man nicht meckern, würde der Berliner sagen; dazu noch frisch zubereitet und durchaus schmackhaft.

Mit vollem Bauch und langsam müde werdenden Gliedern legten wir die restlichen 15 Kilometer bis zum Bahnhof Nauen zurück. Die schier endlosen Wiesen und zahlreichen Gräben an der Strecke nahmen wir kaum noch wahr, denn wir waren eher mit uns und dem aufkommenden Gegenwind beschäftigt. Ermattet erreichten wir den Bahnhof und genossen die halbstündige Rückfahrt nach Berlin.

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