Ausstellungen

Marl – The Hot Wire

Im Rahmen der fünften Ausgabe der Skulptur Projekte Münster findet eine  Kooperation mit der Stadt Marl und dessen Skulpturenmuseum Glaskasten als Erweiterung statt.

Dieser Tagesausflug  hat mich skulpturmäßig für die dürftige Ausbeute in Münster entschädigt, wobei der erste Eindruck von dieser Stadt verheerend war: Beton-Wohnsilos ragen in den Himmel, sie werden nur noch von dem Giganto-Rathaus-Klotz überragt, an dem der Zahn der Zeit schon kräftig nagt. Nach dem Verlassen des Bahnhofsgeländes steht man auf einem von Beton-Stelen umrahmten Platz, kein Grün außer Unkraut, das aus den Fugen wächst. Am Ende des Platzes begrüßt einen dann das Marl-Stern Einkaufszentrum, außen von einer ausgesuchten Hässlichkeit. Im Inneren buhlen dann drei Typen von Geschäften um die Gunst der nicht zahlungskräftigen Kundschaft: Billig-Klamotten-Geschäfte wie Kik, Adler, dann Handy-Shops von allen Anbietern sowie dubiosen No-Name-Betreibern, schließlich die 1€-Ramschläden in den verschiedensten Variationen; nicht zu vergessen der Leerstand zahlreicher Geschäfte.

Hinter diesem schauderhaften Ambiente befindet sich dann dann das Skulpturenmuseum Glaskasten in einem nicht minder hässlichem Bau; jedoch entschädigt das Innere des Gebäudes sowie dessen Umgebung für den anfänglichen Kulturschock. Auf drei Ebenen sind  zahlreiche Skulpturen ausgestellt, zum großen Teil aus dem eigenen Bestand, zum Teil anlässlich der Ausstellung in Münster als Leihgabe – und dies alles bei freiem Eintritt!

Meinen Rundgang begann ich im Untergeschoss, wo zahlreiche Modelle von Skulpturen und Installationen präsentiert wurden. Interessant war deren Vielfalt, von Wohnkomplexen und Straßenkreuzungen bis zu Denkmälern. Schade ist es, dass nur ein Bruchteil der Modelle realisiert wurden bzw.realisiert werden konnten, denn diese Kreativität hätte vielen Städten gut zu Gesicht gestanden.
Im Erdgeschoss begegnete ich dann authentischen Skulpturen, die mir den Atem nahmen: Dort befanden sich Exponate von namhaften Künstlern wie Belling, Lehmbruch und Giacometti unspektakulär aufgestellt in Regalen und als absoluter Höhepunkt, zumindest als Hingucker, ein Werk – ich würde es als Installation bezeichnen – von Wolf Vostell “Mit(h)ropa”. In seiner typisch provokanten Art klagt er die Schlachtung von Vieh in mannigfacher Kunstform (Video, Bild, reale Gegenstände und der “obligatorische” Straßenkreuzer) an. Daneben wirken die anderen Exponate fast blass und dürftig.

Hinter dem Gebäude erstreckt sich ein Park, der wohl zum Teil einen ehemaligen Friedhof einschließt. Dies lässt sich anhand einiger Grabstätten und Kriegsgräber sowie Mahnmale ableiten. Hier sind zahlreiche (Groß)Skulpturen errichtet worden, die meisten haben dort ihren dauerhaften Standort. Die Vielfalt ist immens, sie reicht von figürlichen Modellen (Emilio Greco) über geometrische (Alf Lehner) und symbolhafte (Wewerka) bis zu abstrakten Werken (Esther und Jochen Gerz ), die mich als Betrachter ratlos zurücklassen, auch wenn in erläuternden Tafel versucht wird, Licht in das künstlerische Dunkel zu bringen. Erwähnen möchte ich die Skulptur von Jean Arp, die vor dem Hintergrund eines kleinen Sees hervorragend zur Geltung kam. Wahrzeichen für die aktuelle Ausstellung “Hot Wire” ist der Melonenbaum von Schütte, sicherlich ein witziger Einfall, aber es gibt tiefgründigere Werke!

Insgesamt tat es gut, in die Welt der Skulpturen einzutauchen und zu spüren, dass die Themenbreite dieser Kunstform noch lange nicht ausgereizt ist, wie von manchen Kunstkritikern behauptet wird. Neben dem passiven Genuss stand für mich zum ersten Mal auch ein weiterer Aspekt im Vordergrund, die Inspiration für eigene Kunstaktivitäten. Da sah ich manche Werke mit anderen Augen und überlegte mir, inwieweit ich Ideen aufnehmen und für mich im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten umgestalten kann.

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