Es sind die unverhofften Augenblicke, die für mich den Reiz von Ausstellungsbesuchen ausmachen. So besuche ich gerne die Kommunale Galerie Berlin, ein Kleinod zwischen all den kommerziellen Anbietern in unserer Stadt. Aktuell werden Werke von Frauen ausgestellt, die für den Marianne Werefkin-Preis 2018 nominiert waren sowie dessen Preisträgerin Stella Hamberg. Diese Auszeichnung wird jährlich vom Verein der Berliner Künstlerinnen 1867 e.V. ausgelobt.
Mich faszinierten nicht so sehr die Skulpturen der Preisträgerin; vielmehr blieb mein Blick an einem Gemälde von Regina Nieke haften, o.T. (nach Goya). Obwohl nur schemenhaft angedeutet, drückt dieses Bild so viel Schmerz und Verzweifelung einerseits, andererseits unbedingte Hingabe aus. Gilt mein Mitgefühl der Person, die mit geöffnetem Mund – sind es Schmerzens- oder Lustschreie? – und von sich gestreckten Gliedern vor mir liegt? Oder gilt mein Schauern den beiden Wesen – liebkosen oder quälen sie? – , die in der liegenden Person zu versinken scheinen? Diese doppelte Ambiguität faszinierte mich außerordentlich!
Neugierig geworden warf ich einen Blick in ihre Künstlermonografie “The Figurative Element”, die mir einen umfassenden Einblick in Regina Niekes Werk der letzten Jahre gab. Auch hier fand ich in ihren Bildern Figuren mit prägnantem Ausdruck in emotionalen Ausnahmesituationen. Dabei schafft sie es, dieses Gefühl durch verschiedene Maltechniken und Farbaufstriche sowie die Auswahl von Hilfsmitteln (z.B. Sprühdose) noch zu verstärken.
Robert Lucander spricht in seinem Vorwort zu Niekes Buch von einer Bewegung, die sich in ihren Gestalten ausdrückt: “Die Gestalten von Regina Nieke scheinen zu leben, da diese innerhalb einer Momentaufnahme in Bewegung gebracht werden.” Für mich spiegelt ihr Duktus vielmehr die Zerrissenheit der Person wider, die Verdichtung eines Gefühlsstaus, der übermenschlich zu sein scheint.
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