Aus der Presse erfuhr ich, dass im über 30 Meter hohen Turm eines Getreidespeichers des ehemaligen VEB „Kombinat Fortschritt Landmaschinen“ 40 Künstler*innen eine temporäre Ausstellung mit dem Thema „Speichern“ organisiert hätten. Neugierig machte ich mich auf den Weg zu dem seit der Wende leer stehenden, mittlerweile aber als Industriedenkmal klassifizierten Koloss.
Den Künstler*innen geht es nach eigenem Bekunden mit dieser Ausstellung auf fünf Etagen und 1800 Quadratmetern nicht nur darum, sich und ihre Werke der Öffentlichkeit zu präsentieren, sondern ebenso sehr um den Austausch miteinander und um das Festigen bzw. den Aufbau von Netzwerken. Deren inhaltliche Klammer „Speichern“ bekommt durch die aktuellen gesellschaftlichen und politischen Umbrüche (Getreide- und Energieknappheit sowie deren jeweilige Speicherung) eine beklemmende Brisanz.
Drei Werke sprachen mich bei der insgesamt sehr beeindruckenden Präsentation besonders an: Jenny Alten, eine der Initiatorinnen der Ausstellung vom Verein Artifact, hat zusammen mit dem Chaos Computer Club ein Pumpsystem mit dem Titel „Menstruation Manual“ gefertigt, das sich an den alten Röhren des Speichers orientiert: Ein voluminöses Schlauchsystem, das eine grün, phosphoreszierende Flüssigkeit durch das gesamte Gebäude fließen lässt, ist dem Ablauf des Kreislaufs der früheren Getreidespeicherung nachempfunden.
An einer riesigen, rostigen Getreidetrocknungsmaschine hat der Künstler Udo Koloska über Magnete und Kabel einen Morseapparat befestigt. Mal verlangsamt, mal hämmernd sind Töne zu hören, verstärkt vom Resonanzraum des Trockners, das ins Morsealphabet übersetzte Kommunistische Manifest. Beide entstanden zur gleichen Zeit. Sein Werk „Gemorstes Manifest“ ist für ihn „eine Form sinnlicher Archäologie“, die dieses Gebäude als „materielle Manifestation von menschlichen Ideen, sozialen Utopien“ widerspiegelt.
Bei Torben Laibs Klanginstallation mit dem Titel „Konjunktur“ werden acht Elektromagnete über einer kupfernen, mit Ein-Cent-Münzen angefüllten Kastenrinne von einer Maschine auf- und abgesenkt. Diese wird von einem Döner Motor angetrieben, der einen Schlüssel aus Kupferrohren dreht und dafür sorgt, dass sich die Elektromagnete als Einheit wellenförmig bewegen. Diese heben einige Münzen an und lassen sie ab einer gewissen Höhe wieder in die Rinne zurückfallen. Bei mir stellten sich bei der Betrachtung dieses Ablaufs sofort Assoziationen zu konjunkturellen Schwankungen, aber auch finanz- und währungspolitischen Turbulenzen ein.
Die Ausstellung ist noch bis zum 11.9. von 12 – 19 Uhr geöffnet: Getreidespeicher, Ladestraße 1, Bergholz-Rehbrücke. Reservierung auf www.eventbrite.com nötig.
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