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Hans-Georg Wagner – Revisited

Ein Ausflug nach Brandenburg an der Havel zur Kunsthalle Brennabor ist für mich mittlerweile zu einer lieben und gewinnbringenden Gewohnheit geworden. In der aktuellen Ausstellung „Mensch und Landschaft – Wege zu Fontane“ präsentieren sechs Künstler ihre Arbeiten in Anlehnung an Fontanes geistiges Erbe. Während ich bei fünf von ihnen durchaus Bezüge zu Fontane, seinen in den Romanen dargestellten Personen bzw. Landschaften feststellen konnte, war dies bei den Werken von Hans Georg Wagner für mich nicht erkennbar. Da wirkten die Ausführungen der Kuratoren im Begleitheft, wo sie Bezüge zu Fontane feststellen wollten, doch sehr weit hergeholt.

Doch sprechen die Werke von Hans Georg Wagner, dem ich zuvor schon in einer Ausstellung im Cottbuser Dieselkraftwerk begegnet war, für sich und brauchen keinen inhaltlichen Anker. Wenn in dem Begleitheft zur Ausstellung steht, dass Wagner an einer „Zustandsbeschreibung des Menschlichen in dieser Zeit … ohne dabei ins Politische abzugleiten“ arbeitet, so kann ich dieser Aussage nur eingeschränkt zustimmen: Sicherlich findet sich in seinen Holzreliefs, seinen Skulpturen und auf japanischem Papier gedruckten Holzschnitten das allgemein Menschliche wieder, aber es tritt doch auch deutlich die politische Ebene zutage. Ich möchte dies exemplarisch an drei aus unterschiedlichem Material hergestellten Werken exemplifizieren.

Im Holzfries „Festung Europa / das Jüngste Gericht“ werden in Form eines Triptychons ineinander verwobene Menschenmassen herausgehoben. Schaut man genauer hin, entdeckt man Gesten der Bedürftigkeit, der Hilflosigkeit, der Schutzsuche, des Flehens bei den Gestalten im Vordergrund, die sich im Hintergrund zu einer anonymen Masse vereinigen. Der Titel gibt hierbei eindeutige Bezüge auf die aktuelle Migrationsproblematik und in verklausulierter Form auf die Verantwortungsgemeinschaft Europas.

Die gleiche Thematik spiegelt sich in der kleinen Skulptur „Pietà (Lambada am Strand von Lampedusa)“ wider: Es ist keine Pieta im christlichen Sinne als Darstellung Marias mit dem Leichnam des vom Kreuz abgenommenen Jesus Christus. Vielmehr wird, wie der Titel suggeriert, ein Opfer der Migration, das von einem anderen Menschen getragen, beweint(?), betrauert(?) wird, dargestellt. Die Skulptur weist dabei auf die perverse Dichotomie von Tourismus (Strand, Lambada) und Flüchtlingselend hin.

Ein Werk, ungewöhnlich, einzigartig und sehr persönlich, ist „Die Untersuchungen zur Freiheit (Kubus Druckstöcke)“. Hier hat sich der Künstler in ein Quadrat, gebildet aus vier Holzplatten, mit seinen Werkzeugen eingeschlossen, diese anschließend von innen bearbeitet und dann abschließend durchtrennt. Hier ist in meinen Augen der Freiheitsgedanke, der sich ja auch schon im Titel widerspiegelt, von zentraler Bedeutung: Der Menschen bricht aus (seinen) Zwängen / der formierten Gesellschaft heraus und befreit sich, hier sicherlich mit Hilfsmitteln, aus dieser Umklammerung / der Begrenztheit in (s)ein selbstbestimmtes Leben / eine offene Gesellschaft.

Fontane benannte einst als nötige Voraussetzung für seine Reisen die Entdeckung der sieben Schönheiten: “Man muss sie nur zu finden verstehen. Wer das Auge dafür hat, der wag es und reise.” Abgesehen davon, dass eine Reise nach Brandenburg heutzutage kein Wagnis mehr darstellt (sofern es der Zug keine Verspätung hat), möchte ich diesen Satz auf die aktuelle Ausstellung und insbesondere die Werke von Hans-Georg Wagner übertragen.

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