In der Galerie Dittrich & Schlechtriem erfahre ich ein besonderes Kunsterlebnis: In Andreas Greiners Werkschau “Hybrid Matter” verschwimmen die Grenzen zwischen Kunst, Kultur und Technik. Bei seinen hochauflösenden Fotografien an den Wänden sind in bis zu 10 000-facher Vergrößerung Klumpen menschlicher Darmtumorzellen und kugelförmiger Ansammlungen von synthetischen Bakterien (Mycoplasma mycoides) von beeindruckender ästhetischer Schönheit abgebildet, von Greiner als Portraits bezeichnet.
Das Zentrum in Andreas Greiners Ausstellung bildet die Soundinstallation – nach eigener Bezeichnung „lebendige Skulptur“ – zu der selben Thematik: Man sitzt in dem Ausstellungsraum, hört ein Summen mit steigender Intensität und spürt die Vibration bis in die Magengrube. Dann vernimmt man Stimmen, die den Zuhörer bei abnehmendem Licht des Raumes – in englischer Sprache! – mit einer umgekehrten Evolutionsgeschichte konfrontieren, der Entwicklung des Menschen zurück zu den Tiefen, aus denen das Leben entsprang, in das Dunkel der Ozeane, zurück zu Algen, zum Einzeller.
Schließlich die völlige Dunkelheit, und man sieht in dem rechteckigen, mit Meerwasser gefüllten Aquarium in der Mitte des Raumes: kleine, zitternde, leuchtende Punkte, Formen, die im Rhythmus der Musik zu schwingen und hüpfen scheinen. Es handelt sich bei den flirrenden Lichtern um biolumineszente Algen. Sie bilden den Höhepunkt der Installation „The Molecular Ordering of Computational Plants“ in Kooperation mit dem Komponisten Tyler Friedman.
Leider pulsierten bei meinem Besuch die luminiziernden Wasserröhren nicht. Jedoch auch ohne deren Flimmern gelang es der Ausstellung insgesamt mir die Problematik der zunehmenden Auflösung der Grenzen zwischen Natur – Mensch – Kultur/Technik nahe zu bringen.
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