Wer den Hamburger Bahnhof betritt, hat den Eindruck, er besuche eine wahrhaft heilige Halle, einen Tempel der Vernunft. Es gibt drei Altäre, genauer: drei gerundete Empfangstresen mit Rezeptionisten dahinter. Hinter jedem erhebt sich eine deckenhohe, graue Wand, auf der in goldenen Lettern die Gebote prangen: „Ich werde immer zu teuer sein, um gekauft zu werden.“ „Ich werde immer meinen, was ich sage.“ Und: „Ich werde immer das tun, was ich sage.“ Gewiss, diese Forderungen sollte jeder an sich stellen, der eine humanistische Gesinnung vertritt. Die Künstlerin Adrian Piper geht aber noch weiter mit ihrer Installation: Diese Regeln sollen als Selbstanspruch in einem Vertrag manifestiert werden, den die Rezeptionisten dem Besucher aushändigen und unterschreiben lassen.
Am Ende der Ausstellung geht das digitale Verzeichnisdokument in den verschlossenen Bestand der Nationalgalerie über, und alle Unterzeichner erhalten per Mail eine Liste, die nur die Nachnamen aller Unterzeichner enthält.
So anerkennenswert dieser philosophisch-politische Ansatz – nicht zuletzt angesichts der Erosion demokratischer Werte vielerorts, aber ist dies nicht ein wenig dürftig, seine Unterschrift – aus welchen Motiven auch immer – zu geben und seinen Namen dann auf einer Liste zu finden. Mehr Nachhaltigkeit, um eine Modewort zu nutzen, wäre hilfreich und notwendig, z.B. Diskussionsforen in der Halle (z.B. eine Speaker´s Corner), Vernetzung mit anderen Initiativen, die sich dem Anspruch der Ehrlichkeit verpflichtet fühlen.
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