Mein Buch-Projekt ist fertig: 70 Episoden, die mein Leben prägten, die aber auch die politische Großwetterlage spiegeln und deutlich machen, wie weit sie in das Leben des Einzelnen einwirkten. Hier eine kleine Kostprobe:
Grenzkontrolle – Micky-Maus-Heft (1957)
Ich hatte Verwandte, die in einer Kleingartensiedlung lebten, welche nach Kriegsende in feste Wohnungen und Häuser umgewandelt wurden und sich so ein Dauerwohnrecht entwickelte. Das war an sich nichts Ungewöhnliches gewesen, angesichts der Wohnraumknappheit in Nachkriegsdeutschland, egal ob Ost oder West. Ihr kleines Häuschen war Teil einer Kleingartensiedlung am Dammweg, eine Straße, die sich über 2,5 Kilometer von der Sonnenallee bis zum Plänterwald erstreckte, auch das war nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich war, dass sich genau vor ihrem Grundstück ein Schlagbaum befand, die Grenzkontrollstelle der DDR. Die eigentliche Grenze zwischen West- und Ost-Berlin, Neukölln als Teil des US-amerikanischen Sektors und Treptow als Teil des sowjetischen Sektors war etliche Meter davor, dazwischen befand sich das sogenannte Niemandsland.
Als ich mit meiner Mutter im Jahr 1957, ich war damals gerade 7 Jahre, wieder einmal die Verwandten besuchte und in deren Garten spielte, beobachtete ich einen Volkspolizisten, Vopo genannt, der an diesem Schlagbaum stand. Neugierig wie ich war, fragte ich ihn, was er dort mache. Er antwortete sehr freundlich „Ich kontrolliere Personen“. Ich konnte mit dem Begriff nichts anfangen und wollte wissen, was das denn sei? Er antwortete, „Ich zeige es dir gleich.“ Es kam ein Junge vorbei, der von West nach Ost ging. Der Vopo sah ihn an und fragte, was er bei sich habe. Der Junge zeigte ein Micky-Maus Heft, dass gleich konfisziert wurde. Das habe ich nicht verstanden, weil ich selbst gerne Micky Maus Hefte las. Aber ich sagte nichts, zu tief war der Respekt und vielleicht auch ein bisschen Angst vor dem Vopo, was damit zusammenhing, dass die Erwachsenen sich vor der Willkür der Vopos fürchteten und sie heimlich verfluchten.
Nach dem Mauerbau, August 1961, konnte ich die Verwandten nicht mehr besuchen, selbst wenn man einen Passierschein hatte, um nach Ost-Berlin einreisen zu können. Ihr Grundstück befand sich im Sperrgebiet, und wir mussten uns außerhalb treffen. Selbst deren Verwandte und Bekannte, die in der DDR lebten, benötigten eine spezielle Genehmigung, um das Sperrgebiet betreten zu können.
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Version: 8.11.21
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