Schlimm(e), wenn der Name eines Dozenten die Qualität seiner Lehrveranstaltung widerspiegelt
Ich fühlte mich in die 60er Jahre zurückgebeamt: Die Vorlesung, die ich im Rahmen meines BANA-Studiums an der Technischen Universität Berlin besuchte, brachte Erinnerungen an den drögen Unterricht zurück, den ich seinerzeit in der Schule genossen hatte, an die Vorlesungen, gegen die wir uns als Studenten aufgelehnt hatten.
Als wissbegieriger Student hatte ich mich natürlich schon vor der Veranstaltung über deren Inhalte informiert, die der Professor ins Netz gestellt hatte. Es irritierte mich zunächst, dass das angebotene Material schon seit einem Jahr online steht, und die dort angegebenen Datumsangaben für die einzelnen Themen sich auf das vergangene Jahr bezogen.
Voll froher Erwartung betrat ich das mittlerweile in die Jahre gekommene Gebäude der Architektur Fakultät. Doch allein schon die Ausmaße des gigantischen Hörsaals mit den steil nach oben führenden Sitzreihen erzeugten bei den etwa 30 Studierenden eine – nicht nur räumliche – Distanz zu dem Lehrenden und seinen Inhalten.
Thema dieser Stunde war der „Öffentliche Raum“: Der Dozent (Professor an der TU Berlin) versuchte es zu Beginn mit einem zähem, nicht zielführenden, mit Doppel- und Dreifachimpulsen versehenen Frage- und Antwort Spiel. Als der wohl von ihm gewünschte Begriff von den Studierenden – auch aufgrund seiner schwammigen Fragestellung – nicht genannt wurde, versuchte er sich selbst mit dem Versuch einer Definition, die er jedoch weitgehend von seinem Manuskript ablas. Seine Begriffsbestimmung war aber in meinen Augen unpräzise und vor allem unhistorisch und ließ etliche Kriterien, die einen öffentlichen Raum ausmachen, außer Acht.
Den nächsten Schritt leitete der Professor ein, indem er mitteilte, „Jetzt kommt ein wenig Theorie“. Hierfür warf er Zitate von Habermas und anderen Philosophen zum Thema „Öffentlichkeit“, die sowieso auch Teil seiner Online-Materialsammlung sind, an die Wand und las sie dann wortwörtlich vor. Die Texte wurden jeweils durch seine Bemerkung „genau“ unterstrichen und abgeschlossen. Das war´s dann aber auch; keine Erläuterungen oder Beispiele, geschweige denn eine Erklärung dieser doch recht abstrakten und für nicht mit Habermas vertrauten Personen schwer verständlichen Texte. Abgeschlossen wurde dieser Teil mit der Feststellung, dass Habermas nichts zum Thema öffentlichen Raum gesagt habe. Dass Habermas ein Philosoph, aber kein Stadt- oder Landschaftsplaner ist, hatte sich ihm nicht erschlossen.
Dann schritt der Dozent zurück in die Geschichte und schrieb – völlig unmotiviert und trotz moderner Technik im Raum – schlecht lesbar mit Kreide zwei Begriffe an die Tafel: Repräsentative Öffentlichkeit und demokratische Öffentlichkeit.
Anhand der bloßen, überschriftartigen Benennung einiger historischer Beispiele versuchte er die Unterschiede dieser beiden Ausprägungen zu erklären, wobei deren Ambivalenz unberücksichtigt blieb. Dementsprechend unterliefen ihm nach meinem Verständnis grobe Vereinfachungen, wenn er am Foto-Beispiel des Marktplatzes der Hansestadt Lübeck behauptete, es habe dort lediglich eine Form der repräsentativen Öffentlichkeit geherrscht.
Spätestens an diesem Punkt, nach etwa einer Stunde drögen Vortragens und einschläfernden Vorlesens aus seinem Manuskript war für mich das Maß an Inkompetenz und althergebrachten Stils voll, und ich verließ den Saal.
Ein Unterschied zu der Situation wie vor 50 Jahren war doch zu bemerken: Während damals deutliche Kritik an solch einer Lehrveranstaltung geübt wurde, schwiegen hier die Studierenden, die diese Vorlesung anhören mussten, um entsprechende Credits zu bekommen, und beschäftigten sich an ihren Notebooks mit anderen Themen.
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Michael Schilling
Ohne selbst studiert zu haben, ich bin also kein Akademiker, stellt sich mir die Frage, wer kontrolliert eigentlich die Lehrbeauftragten mit Professorentitel in ihrer Fachkompetenz und Lehrbefähigung nachdem ihnen der Titel verliehen worden ist? Im Übrigen sehr aufschlussreich!