Bildende Kunst

Städel Museum – Gegenwartskunst

Am zweiten Tag unseres Aufenthaltes stand ein Besuch des Städel-Museums auf dem Programm. Als eines der ältesten deutschen Kunstmuseen wurde dieses Museum 1815 von Johann Friedrich Städel gegründet. 1833 erhielt es ein erstes eigenes Ausstellungsgebäude; der jetzige Standort am südlichen Mainufer wurde 1878 bezogen. Mit über 3.100 Gemälden, 660 Skulpturen, über 5.000 Fotografien sowie über 100.000 Zeichnungen und Druckgrafiken gibt das Städel einen profunden Überblick zur europäischen Kunstgeschichte – vom Mittelalter über die Renaissance, Barock und klassische Moderne bis in die Gegenwart.

Bei unserem Besuch stand nicht, wie bei den meisten Besuchern, die Sonderausstellung „RENOIR. ROCOCO REVIVAL. Der Impressionismus und die französische Kunst des 18. Jahrhunderts“ im Zentrum, sondern die Gegenwartskunst. Um die moderne Kunst nach 1945 angemessen präsentieren zu können und Platz für neue Exponate zu schaffen, errichtete man 2012 einen Erweiterungsbau. Hierfür wurde das historische Ensemble nicht durch zusätzliche Hochbauten verändert, sondern man ergänzte es durch einen unterirdischen Bau, der von außen einzig an den 195 kreisförmigen Oberlichtern erkennbar ist. Er hat eine Breite von 76 m, eine Länge von 53 m und vergrößerte die Ausstellungsfläche des Museums um knapp 4.100 auf 24.700 m².

Zunächst gelangten wir auf die tiefergelegene Ebene eines großen Foyers, wo aktuell die Fotoausstellung „Stories of Conflict“ mit den beeindruckenden Werken von Andreas Mühe präsentiert wird. Von hier aus führt eine steile Treppe in die helle, unterirdische Ausstellungshalle des Erweiterungsbaus. Zu unserer Freude nahmen nur vereinzelnd Besuchen die Möglichkeit wahr, die umfangreichen, nach Stilen, Strömungen und Schulen sorgfältig gegliederten Exponate zu betrachten, sodass wir die Werke ungestört genießen konnten.

Rückblickend ist mir ein Gemälde im Gedächtnis haften geblieben, der Koloß von Wolfgang Mattheuer, geschaffen 1970. Eine riesenhafte Figur breitet schützend seine Arme über die Stadt aus oder erstickt sie mit seinem massigen Körper. Eine Interpretation dieses Werkes kann auf drei Ebenen erfolgen: Zum einen hat der massive Schädel eine (gewollte) Ähnlichkeit mit Benito Mussolini und kann als Parabel zum faschistischen Staat verstanden werden. Weitergehend kann man das Werk natürlich auch als Parabel auf totalitäre Staaten im Allgemeinen interpretieren. Schließlich kann es eine Allegorie auf die Situation in der DDR sein, Mattheuer war zeitlebens Bürger dieses Staates: Einerseits lebte man in scheinbarer Fürsorge, andererseits fand eine Bevormundung in vielen Bereichen des Lebens statt, und aus Angst vor Ablehnung und Ungehorsam wurden kritische Stimmen unterdrückt. Die Sonne in der Ferne, als Symbol für eine strahlende Zukunft, wird jedoch von dunklen Wolken (der Gegenwart) weitgehend verdeckt.

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