Endlich wieder Kunst live genießen! Virtuelle Rundgänge bzw. Präsentation einzelner Werke im Netz ersetzen doch nicht die sinnliche Erfahrung. Ich fühlte mich regelrecht ausgehungert und nahm zähneknirschend auch die zurzeit geltenden Einschränkungen für einen Ausstellungsbesuch billigend in Kauf, als da wären eine vorherige Anmeldung für ein Zeitfenster und das Tragen einer FFB 2 Maske in den Ausstellungsräumen.
Ziel meiner ersten Kunstberührung war ein Ausflug nach Brandenburg, genauer gesagt zur Kunsthalle Brennabor, in den baudenkmalgeschützten Hallen der ehemaligen Brennaborwerke. Dort werden in liebevoller, oft ehrenamtlicher Anstrengung und großem Engagement regelmäßig Ausstellungen zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler präsentiert. Aktuell ist dort die Ausstellung von Matthias Deumlich mit dem Thema LichtFlutMorgen zu sehen.
Matthias Deumlich, geboren 1962 in Berlin, studierte nach fünfzehnjähriger Tätigkeit als Musiker/Schlagzeuger an der Hochschule der Künste, Berlin in der Klasse von Rebecca Horn. Schon 2005 präsentierte die kommunale Kunsthalle seine Werke, und diese Ausstellung wurde damals als die wichtigste zeitgenössische Ausstellung im Land Brandenburg gekürt.
Sein Werk beschäftigt sich gleichermaßen mit dem Ausloten existenzieller Fragen wie mit der ästhetischen Qualität von Formen und Tönen. In seinen Werken und Installationen wird eine kreative Verbindung zwischen Klang-, Licht- und Video hergestellt. Daneben gehören auch Zeichnung, Kinetik, Papierobjekte sowie Fotografie zu seinem künstlerischen Repertoire.
Im Zentrum der aktuellen Ausstellung steht der fünfzackige „Defrag-Stern“ – meterhoch, schwebend, zusammengesetzt aus Fragmenten. Im Gegensatz zu dem Begleittext zur Ausstellung sah ich in diesem Werk durchaus ein politisches Statement, z. B. die politische Zerrissenheit und ökologische Zerstörung unseres Planeten, die Zerrissenheit der Gesellschaft, festgezurrt und sich unversöhnlich gegenüberstehend. Ähnliches geschieht bei „Morgen ist die Hälfte“: In der ehemaligen Transportkiste fließt ein Bergbach, das Dach wächst aus ihr heraus. Die am Boden liegenden Asbestplatten – todbringende Exponate – weisen in Richtung auf den gegenüberliegenden Friedhof.
Die Sehnsucht nach der „heilen“ Welt in Ganzheit spiegelt sich in dem Werk „Die Hälfte der Welt“ wider, wo Sprachlosigkeit, symbolisiert durch einen „Buchstabensalat“ schwer auf der Erde lastet und sie spaltet.
All diese Werke verlangen vom Betrachter, dass er bereit ist, neue Spielräume für Augen, Kopf und Herz zu schaffen; ansonsten reduziert sich der Eindruck auf eine, den ersten Blick wahl- und zusammenhanglose Ansammlung diverser Materialien.
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