Ich möchte meinen Bericht zu der Ausstellung im Hamburger Bahnhof „Emil Nolde, eine deutsche Legende, der Künstler im Nationalsozialismus“, mit einem sehr persönlichen Rückblick beginnen. Ich wurde auf Emil Nolde erstmals aufmerksam, als mich ein Mitschüler und damaliger Freund ein Foto eines Gemäldes von Emil Nolde zeigte. Es war das bekannte, berühmte Motiv der Mühle, das auch in der aktuellen Ausstellung zu sehen ist. Mich ergriff dieses Bild immens, die Farbkombination und -explosion, das gewaltige Bauwerk trutzend den Naturgewalten, zog mich in den Bann. Ich bemühte mich anschließend, weitere Bilder von ihm zu sehen. Das war zu Zeiten, als es noch kein Internet gab, nicht unbedingt einfach. Doch in der Stadtbibliothek wurde ich fündig und konnte etliche seiner Landschaftsbilder der Nordseeküste bewundern, die gewaltigen Wellen, die geduckten Gehöfte, der drohende Himmel, jedoch keine Bilder von Personen. Ich versank in den Bildern von Nolde, und es ging sogar soweit, dass ich, der bis dato nie etwas mit der bildenden Kunst am Hut gehabt hat, wenn man mal von dem Kunstunterricht absieht, begann, in bescheidenem Maße mit meinem Aquarell Tuschkasten Nolde zu imitieren, bzw. sie nach meinem Gusto zu verfremden, indem ich z.B. in den Himmel einen Blitz einwob.
Die Gemälde Noldes begleiteten mich auch auf meinem weiteren Lebensweg, so z.B. wenn ich mit Freunden nach Dänemark fuhr, dann war ein Stopp in Seebüll im Haus der Nolde Stiftung ein Muss. Die wechselnden Ausstellungen dort waren für mich immer ein Highlight der Fahrt. Als ich später durch einen sehr guten Freund an die bildende Kunst herangeführt wurde, war es nur natürlich, dass unsere erste gemeinsame Kulturfahrt uns nach Seebüll führte. Das Plakat mit dem Motiv der Mühle hing auch lange Zeit in meinem Arbeitszimmer. Selbstverständlich war es natürlich, dass ich die verschiedensten Nolde Ausstellungen besuchte, darunter die der „Ungemalten Bilder“, und die Ausstellungen in der Berliner Dependance waren für mich ein häufiger Anlaufpunkt.
Natürlich blieb es mir nicht verborgen, dass ein Schatten auf Nolde fiel, als mehr und mehr sein Handeln und seine Aussagen zum Nationalsozialismus ans Licht kamen. Jedoch taten diese Enthüllungen meiner Bewunderung seiner Bilder keinen Abbruch, wobei klar gesagt werden muss, dass sich dies auf seine Landschafts- und in weiten Teilen Blumenmotive bezog. Die Darstellungen, in denen Personen, oft biblischen Inhalts, abgebildet waren, berührten mich nicht in dem Maße; da rückten für mich andere Maler der in den Mittelpunkt, wie z.B. Max Beckmann.
Dementsprechend neugierig war ich natürlich auf die aktuelle Ausstellung, die sich schwerpunktmäßig Noldes Schaffen und seiner Einstellung während der Zeit des Nationalsozialismus widmete. Ich werde dieses Thema im Folgenden nicht referieren, dies wird nach meiner Einschätzung in der Ausstellung fundiert und detailliert getan. Mit dem vom Kunstkritiker Adolf Behne schon 1947 geprägten Begriff des „entarteten Entarterer“ wird dabei die Person meines Erachtens zutreffend charakterisiert. Ich möchte vielmehr auf einzelne Aspekte eingehen, die mich während und nach dem Besuch beschäftigten.
Emil und Ada Nolde im Bild: Zu Beginn der Ausstellung werden zwei Werke präsentiert, die sich von den anderen Bildern, auf denen Personen abgebildet waren, deutlich unterschieden: Ein Selbstbildnis Noldes und ein Portrait seiner Frau. Im Unterschied zu den expressionistisch dargestellten Personen bzw. Gruppen in den anderen Werken erleben wir hier das Paar fast naturalistisch, sicher mit persönlichen Einsprenkelungen wie der Rembrandt-Pose bei Nolde.
Der Prophet (1912): Dieser Holzschnitt, bei dem sich die Spiritualität des Propheten dramatisch widergespiegelt, fesselte meine Aufmerksamkeit: Seine hohlen Augen, die gerunzelten Augenbrauen, die eingesunkenen Wangen und das ernste Gesicht drücken innerste Gefühle aus, die sich auf den Betrachter (zwangsläufig) übertragen.
Motivwechsel: Um sich den Herrschenden anzudienen und um aus deren Schusslinie zu kommen, vollzog Nolde mit dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft auch einen Motivwechsel: Keine expressionistisch dargestellten Personen und biblischen Darstellungen, stattdessen nordische Sagengestalten und -riten, unverfängliche Naturaufnahmen.
„Ungemalte Bilder“: Unter diesem Begriff wurden in der Vergangenheit die Aquarelle subsummiert, die Nolde aufgrund seines Berufsverbots malte, quasi im Verborgenen. Nach neusten Recherchen sind darunter in weiten Teilen vielmehr Werke zu verstehen, die als Vorlage für spätere Gemälde dienten; zumal Nolde dafür diesen Begriff selbst prägte.
Rezeption Noldes in Nachkriegs(west)deutschland: Aufgrund seines Berufsverbots (seit 1941!!) wurde Nolde als verfolgter Maler offiziell gefeiert und geehrt. Siegfried Lenz diente er dabei als Vorbild für seinen erfolgreichen Roman „Deutschstunde“. Mit dem Bekanntwerden von Noldes Verstrickungen mit den Nationalsozialisten und ihrer Ideologie bis zu deren Niederschlagung schlug das gesellschaftliche Pendel in die andere Richtung: So ließ Angela Merkel ein Nolde Gemälde aus ihrem Büro entfernen. Warum besucht sie dann aber weiterhin Wagner Opern?
Fazit: Ich möchte allen Kunstinteressierten diese Ausstellung wärmstens empfehlen, denn hier wird das Leben und Werk eines der bedeutendsten Maler des letzten Jahrhunderts umfassend dargestellt. Ein persönliches Nachwort: Es überfällt mich weiterhin ein wohliger Schauer, wenn ich seine Nordseemotive betrachte!
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Peter Lachmann
Wieder einmal war es mir vergönnt, den Verfasser zu begleiten. So gern ich sonst widerspreche, hier geht es nicht ( Wenn man leicht davon absieht, dass ich Noldes nordische Helden für expressionistisch gemalt halte ).
Farblich sind die Aquarelle ein Erlebnis – rein in die Ausstellung!