Wir wollten uns zusammen die Ausstellung in der Akademie der Künste anschauen: Katharina Sieverding, die Käthe-Kollwitz-Preisträgerin des Jahres 2017. Die Künstlerin war mir bis dato unbekannt, doch das sollte sich an diesem Ort ändern!
Ich erfuhr, dass sie in den 60er Jahren das Zeitalter der großformatigen Fotokunst einleitete, wobei ihre Werke nicht Fotos im eigentlichen Sinne sind, vielmehr eher Fotocollagen, das Verbinden verschiedener Aufnahmen zu einer neuen Plakatfotografie, häufig auch mit nachträglich bearbeiteten Verfremdungen. Ihre Werke, die häufig im öffentlichen Raum großflächig plakatiert wurden, sind fast durchgängig mit einer politischen Aussage verknüpft.
Ihr kreativer Umgang mit dem Politischen, z.B. bei “Schlachtfeld Deutschland” im Zusammenhang mit der RAF-Debatte und “Global Desire” anlässlich der Debatte um die Fluchtbewegung sprach mich sehr an und hinterließ einen bleibenden Eindruck.
Zwei Werke möchte ich hierbei besonders hervorheben, beide sind Encode betitelt. In wie weit die Künstlerin damit Bezug auf das Encode-Projekt, wo alle funktionellen Elemente des menschlichen Genoms identifiziert und charakterisiert werden sollen, bleibt offen.
Das erste Plakat zeigt das eingezäunte Holocaust-Mahnmal in Berlin, über dem sich wie ein Dach ein Konzentrationslager (Sachsenhausen?) wölbt. Die Einzäunung – bezeichnenderweise von einer Mietfirma errichtet – schließt es von der Umgebung – z.B. im Hintergrund die angrenzenden Wohnhäuser – ab und verleiht ihm etwas Unfertiges u.U. sogar Baufälliges, was abgesperrt wird. Das KZ, welches aus Eisenbahnschienen (Hinweis auf Auschwitz?) herauswächst, wirkt wie ein Himmel, der das gesamt Bild umspannt. Soll dies die ermordeten Juden erinnern, die unser Leben überschatten? Insgesamt lebt das Werk von den zahlreichen Symbolen – einige, wie z.B. die Zahlen, erschlossen sich mir nicht – die für mich, im Unterschied zu den häufig dargestellten realen / realistischen Darstellungen über diese Schreckenszeit, die emotionale Wucht noch verstärkten.
Das zweite Plakat zeigt – zumindest sah ich es so – einen Teil der Fassade des ehemaligen Palastes der Republik in (Ost)-Berlin, gesehen durch ein Fenster. Im Zentrum der Teilgebäudeansicht befindet sich das eiserne Gerippe des DDR-Staatswappens, Hammer und Zirkel umgeben von einem Ährenkranz sind schon entfernt worden. Im Vordergrund, dem eigentlichen Raum, sind schattenhaft Personen zu erkennen, die sich von diesem Gebäude und dem Symbol abwenden. Alleine dieses Setting ist schon beeindruckend; hinzu kommt, dass sich hinter dem eisernen Gerippe ein Strahlenkranz emporreckt, was Raum für vielerlei Interpretationen lässt, z.B. lebt die Utopie trotz des untergegangenen Systems weiter.
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