Ich fuhr am 1. April mit der Bahn nach Rheine!
Dieser Satz birgt drei inhaltsschwere Subjekte in sich, die es lohnen, sich näher damit zu beschäftigen.
Es ist kein Aprilscherz, ich fahre wirklich mit der Bahn, nicht mit meinem Luxusauto! Trotz aller negativen Schlagzeilen wie Verspätungen, Zugausfall, Fahrkartenpreise wage ich dieses Abenteuer, wobei ich als Sicherheitsfanatiker versuche dies soeben benannten Risiken zu minimieren: Ich erwarb eine Bahn-Card 25 und buchte diese Fahrt schon Wochen vorher, sodass ich nur den sagenhaften Preis von 28,50€ für Hin- und Rückfahrt abdrücken musste. Damit war die erste Hürde genommen, denn dieser Obolus ist unschlagbar, auch im Vergleich mit den anfallenden Benzinkosten bei einer Autofahrt. Da ich einen Zug für den frühen Morgen buchte, der just an meinem Einstiegsbahnhof eingesetzt wurde, hoffte ich auch die beiden anderen Risiken zu minimieren. Zu meiner Freude lief der Zug auch pünktlich ein, jedoch musste ich feststellen, dass ich nicht die einzige Person war, für die die Morgenstunde Gold im Munde hatte: Zahlreiche Menschen jugendlichen Alters stürmten den Zug und suchten genauso wie ich nicht reservierte Plätze. Ich wurde im ersten Waggon fündig und ließ mich an einem Fensterplatz in Fahrtrichtung nieder in dem Bewusstsein, dass sich mit meiner Anwesenheit im Zug der Altersdurchschnitt der Passagiere in die Höhe schnellen dürfte. Anfangs wunderte ich mich, dass die Jugend, die ihrer Freude auf die Reise laut und deutlich Ausdruck verliehen, zu solch in ihren Augen nachtschlafender Zeit unterwegs war. Jedoch genügte ein Blick auf den Fahrplan, wo die Endstation Amsterdam angegeben war, um deren Exaltiertheit zu verstehen. Um sich auf ihr Reiseziel vorzubereiten, hatten sich viele von ihnen ein Vorglühen mit Hochprozentigem verlegt, was ein entspanntes Dösen meinerseits in weite Ferne rücken ließ. Doch ich sagte mir, getreu dem alten Volkslied „Lass doch der Jugend ihren Lauf“, auch wenn es für mich eher zum Weglaufen war, schließlich waren wir alle doch mal jung – was für eine Plattitüde. Tröstlich war es für mich immerhin, dass ich nach weniger als vier Stunden die fröhliche Schar verlassen durfte, denn mein Reiseziel rückte erbarmungslos näher.
Rheine – where the f…. is Rheine? Weit gefehlt, wer denkt, der Name müsse etwas mit dem gleichnamigen Fluss zu tun haben. Rheine liegt nicht am Rhein, sondern an der Ems. Rheine hat auch nichts mit „rein“ wie sauber zu tun, obwohl die reine Lehre in religiöser Hinsicht in dieser Stadt noch stark verbreitet ist: Von den ca. 75.000 Einwohnern sind laut offizieller Statistik mehr als zwei Drittel römisch-katholischen Glaubens. Die katholische Kirche St. Antonius überragt mit dem höchsten Kirchturm des Münsterlandes (102,5 m) alle anderen Gebäude der Stadt und ist ein weithin sichtbares Zeichen dieser Dominanz. Auch das Stadtwappen ist ein Zeichen dieser religiösen Verbundenheit: Die drei goldenen Sterne symbolisieren nicht die Lebensqualität des Ortes, analog zu den Sternen auf Weinbrandflaschen, sondern den heiligen Dionysius als Patron der ersten Kirche und somit Schutzheiligen der Stadt sowie dessen zwei enge Vertraute.
Ich reiste wirklich am 1. April, das ist kein Scherz. Überhaupt, warum hat man sich auf dieses Datum fixiert, um mit mehr oder weniger geistreichen erfundenen oder verfälschten, meist spektakulären Geschichten, Erzählungen oder Informationen einen Irrtum zu erregen („hereinlegen“) und so die Umwelt „zum Narren zu halten“, um am später diesen Schwindel aufzulösen und im schlimmsten Fall „April, April“ auszustoßen. Wie es dazu kam, dass der 1. April zum Tag für besondere Scherze wurde, ist bislang unbekannt. Gesichert ist einzig, dass es schon im Volksglauben der Antike eine Vielzahl von angeblichen Unglückstagen gab (z.B. Freitag, der 13.), zu denen regelmäßig auch der 1. April zählte. So gesehen liegen Witz – vielleicht sollte man besser Verhohnepiepeln sagen – und Unglück nahe beieinander. Mir gefällt im Zusammenhang mit meiner Reise eher die Erklärung, dass der 1. April in manchen Überlieferungen als Geburts- oder Todestag des Judas Iskariot gilt, der Jesus von Nazareth verriet.
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