Chris Farlowe, das rief Erinnerungen an die 60er und 70er Jahre in mir wach! So zögerte ich keinen Moment, als Ex-Kollegen mich auf sein Konzert im Quasimodo hinwiesen.
Chris Farlowe kam 1940 als John Henry Deighton in London zur Welt. Schon als Teenager gründete er seine eigene Skiffle-Band, um mit Auftritten in kleinen Clubs ein bisschen Taschengeld zu verdienen. Seine Band entwickelte sich zu den Thunderbirds weiter, und nach der ersten Platte 1962 stellte sich nach und nach der Erfolg ein. Den Karriere-Höhepunkt markierte die Cover-Version des Songs „Out Of Time“ . Farlowe strickte dazu später seine eigene Geschichte: „Eines Tages rief Mick mich zu Hause an und sagte, ich habe ein paar Songs für dich geschrieben, komm und hör dir das an“, erzählt Farlowe in einem Film namens „Out Of Time: A Film About Chris Farlowe“, der 2011 erschien. Mick, das ist Mick Jagger von den Stones.
1970 hatte Farlowe seine zweite erfolgreiche Phase mit der Jazz-Rock-Band Colosseum, die sich aber 1971 schon wieder auflöste, bis die Musiker in den 90ern wieder zusammenfanden. Zwischendurch wirkte er bei verschiedenen Gruppen, u.a. Atomic Rooster, mit.
Beim aktuellen Auftritt wurde er von der Gruppe Hamburg Blues Band begleitet, wobei dies eigentlich eine Untertreibung ist, denn diese vier Musikern sind schon für sich ein Ohrenschmaus. Mir war ihre wechselvolle Geschichte und deren Besetzung mit zum Teil hochkarätigen Musikern (Maggie Bell) unbekannt, aber der Solo-Auftritt im ersten Teil des Konzerts mit seinen Rock-Blues-Nummern überzeugte mich vollständig. Für meinen Laien-Musik-Verstand sind sie alle Meister ihres Fachs, hervorheben möchte ich jedoch den Leadgitarristen Krissy Matthews. Was dieser junge Mann aus seiner Gitarre herausholte, welche Melodie- und Rhythmussequenzen er spielte, das bewegte sich zuweilen zwischen Ekstase und Schmerzgrenze. Dies spiegelte sich dann auch in seinen abenteuerlichen Grimassen wider. Mein bescheidener Rat als Zuhörer an ihn wäre aber, er solle das Singen doch lieber dem Rhythmusgitarristen Gert Lange überlassen.
Im zweiten Teil des Konzerts trat dann Chris Farlowe auf. Als er mit Mühe und von körperlichen Beschwerden gequält auf die Bühne kam, musste man fast Mitleid mit dem 77jährigen haben. Aber sobald er vor dem Mikrofon stand, geschah eine wundersame Verwandlung: Mit viel Witz und Esprit begrüßte er das Publikum, das in seiner überwiegenden Anzahl nur unwesentlich jünger als er war, und sang mit voller Stimme Blues-Balladen und rockige Songs. Dabei durfte auch das Stück „Stormy Monday Blues“ nicht fehlen, dessen frühere Aufnahme Kritiker manchmal als die beste britische Blues-Aufnahme überhaupt bezeichnen.
Als Zugabe wurde dann – natürlich – “sein” Stück “Out of Time” gespielt, wobei diese Darbietung nur wenig mit dem Original zu tun hatte. Aber dem Publikum war es egal, sie feierten Farlowe, der in einem Interview klarstellte: „Ich werde singen, bis ich sterbe.“
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